Interview zum 25 jährigen Bestehen der Region Sønderjylland-Schleswig
21.12.2022
Im Zusammenhang mit dem 25 jährigen Bestehen der Region Sønderjylland-Schleswig wurden 5 Kenner des Grenzlandes befragt. Die Antworten ergänzen die Publikation 20 Jahre – 20 Köpfe aus dem Jahr 2017 (Die Publikation finden Sie hier )
Hier nun das dritte Interview und die Antworten von Martin Klatt, geboren 1964, Wohnort Flensburg.
Funktion 1997 Doktorand /ph.d.-stipendiat an der Dansk Centralbibliotek Flensburg
Funktion 2022 Senior Researcher, Head of the Danish-German Minority Issues Cluster, European Centre for Minority Issues (ECMI) Flensburg
1997 war ich Doktorand an der dänischen Centralbibliotek in Flensburg. Damals habe ich die Demonstrationen gegen die Errichtung der Region Sønderjylland-Schleswig als merkwürdig erlebt. Meine positive Grundhaltung zur dänischen Minderheit hat insbesondere dadurch einen Dämpfer erhalten, dass Karl Otto Meyer und ein paar andere an diesen Demonstrationen teilgenommen haben. Die Wichtigkeit, die Grenze deutlich zu markieren, hat mich überrascht.
Im Laufe der folgenden Jahre habe ich viel über die deutsch-dänische Zusammenarbeit geforscht und geschrieben. Das begann langsam bei der Dansk Centralbibliotek, wo wir über den SSW publiziert haben, und mehr noch beim Institut for Grænseregionsforskning, wo ich von 2001 bis 2022 angestellt war. Dies war damals noch ein selbständiges Institut in Aabenraa, später wurde es Teil der Syddansk Universitet (SDU) in Sønderborg. Hier konnte ich erstmal in die Quellen gehen.
Dänemark hat bekannterweise eine zwiespältige Haltung zur EU. Das begann eigentlich im linken Spektrum, wo es eine ausgeprägte Skepsis gab gegenüber dem, was einige als deutsches Wirtschaftsprojekt empfanden. Dies wirkte sich auch auf die Haltung zur Gründung der Region aus, zumal dann auch nationale Vereine hinzukamen. Auf Seiten der deutschen Politiker in der Grenzregion gab es wiederum einen recht naiven Zugang. Alles, was von der EU kam, war erstmal gut. So hat die deutsche Seite Erwartungen geschürt und damit gleichzeitig Ängste ausgelöst.
In der Praxis hat sich gezeigt, wie bürokratisch grenzüberschreitende Zusammenarbeit sein kann.
Man kann sich fragen, warum nicht mehr passiert ist. Der damalige Amtsborgmester Kresten Philipsen hat sehr kreativ gedacht. Da ging es um konkrete Projekte wie Krankenhaus-Zusammenarbeit oder Rettungsdienst. Beides war lange sehr erfolgreich, ist jedoch zusammengeschmolzen oder abgeschafft worden. Grenzüberschreitende Public Services – was gibt es reell?
Die Region hat einige Erfolge aufzuweisen. Im meiner Optik ist es ein sehr großer Erfolg, dass es durch den Kontakt der Region Sønderjylland-Schleswig und der Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen (AGEG) den direkten Draht zum Ausschuss der Regionen der EU gibt. Ein weiterer zentraler Punkt ist, dass es mit dem Regionskontor & Infocenter ein Kompetenzzentrum Grenze gibt. Regionskontor & Infocenter sind einfach die erste Anlaufstelle, und zwar für den einfachen Bürger bis hin zu anderen Verwaltungen und der großen Politik.
Wenn der politische Wille da wäre, wäre noch viel mehr möglich. Es wäre vieles gemeinsam machbar – eine deutsch-dänische Handelskammer, gemeinsame Wirtschaftsförderung. Für all das gibt es bereits juristische Werkzeuge. Aber man müsste eben ein bisschen Kontrolle abzugeben bereit sein. Aber ich rechne damit, dass der Status quo erhalten bleibt. Zentral dabei ist der Merksatz: “Denkt den Nachbarn mit ein“.
Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die Politik ernsthaft grenzüberschreitend denkt.